Low-Carb – ein Rezept zum Abnehmen?
Wie wissenschaftlich ist eigentlich der Hype um die sogenannte ketogene Diät, auch bekannt als „Low-Carb“? Manche behaupten, der Verzicht auf Kohlenhydrate sei DAS Rezept zum Abnehmen. Doch kann man mit Low-Carb wirklich abnehmen und wenn ja, wie viel und wie schnell? Spätestens im Jänner, nach der alljährlichen Weihnachtsvöllerei, könnten wir uns diese Frage stellen. Hier ein Versuch die Keto-Diät wissenschaftlich betrachtet zu erklären.

Low Carb: was ist das?
Low-Carb bedeutet ein weitgehender Verzicht auf Kohlenhydrate (engl. carbohydrates, kurz carbs), also im Klartext: keine Nudeln, keine Kartoffeln, kein Brot, kein Reis, kein Zucker und kein Alkohol. Gemüse (außer stärkehaltige wie z.B. Mais), Eier, Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte und Obst (außer die mit hohem Zuckergehalt wie z.B. Bananen) sind erlaubt, aber bei einer strengen Keto-Diät sollten pro Tag nicht mehr als 20 Gramm Kohlenhydrate verzehrt werden, bei einer moderaten Low-Carb-Ernährung nicht mehr als 50 Gramm und nimmt man es etwas lockerer – nicht mehr als 100 Gramm.
Nun wird diese Diätform häufig zur Gewichtsreduktion angewendet. Warum aber sollten beim Verzicht auf Kohlenhydrate die Kilos purzeln? Nimmt man insgesamt weniger Kalorien zu sich und verändert so die Kalorienbilanz zum eigenen Vorteil?
Low-Carb und der menschliche Stoffwechsel
Wenn man über den menschlichen Stoffwechsel eines mit 100%iger Sicherheit sagen kann, dann, dass er sehr komplex ist. Das ist mitunter der Grund, warum das mit dem Abnehmen eher schwierig ist, bzw. gibt’s dafür kein einheitliches Rezept.
Aber zuerst ein Blick in die Chemie der Kohlenhydrate: Kohlenhydrate sind chemisch gesehen Zucker, also Moleküle, die aus mehreren Zuckern zusammengesetzt sind. Dabei unterscheidet man Einfachzucker (Monosaccharide) – die Grundbausteine der Kohlenhydrate – von Zweifachzuckern und Mehrfachzuckern. Glukose (Traubenzucker) ist der bekannteste Vertreter von Einfachzuckern. Zweifachzucker (Disaccharide) setzen sich aus zwei Zuckermolekülen zusammen und dazu gehört zum Beispiel Saccharose – unser Haushaltszucker. Mehrfachzucker (Polysaccharide) bilden eine längere Kette an Zuckermolekülen und dazu zählt zum Beispiel Stärke. Je länger diese Kette, desto weniger süß schmeckt das Kohlenhydrat. Was so viel bedeutet wie: Einfachzucker sind süßer als Mehrfachzucker.
Das passiert, wenn wir Brot essen: Im Mund werden die langen Ketten in kleinere Stücke zerlegt. Je länger wir also kauen, desto süßer schmeckt Brot auf unseren Geschmacksknospen der Zunge. Im Körper werden die Kohlenhydrate bei der Verdauung dann noch weiter zersetzt.
Zucker, im Sinne von Kohlenhydraten, ist unser bester Energielieferant. In unseren Körperzellen wird die einfachste Einheit – die Glukose – zu ATP (Adenosin-Triphosphat), der chemischen Energieeinheit unseres Körpers umgewandelt. Am allermeisten „Zucker“ bzw. ATP benötigt unser Gehirn, jedoch „verbrauchen“ im Grunde alle Lebensvorgänge – Atmung, Herzschlag, etc. – diese Form der chemischen Energie.
Sobald wir etwas essen, steigt der Blutzucker und unser Körper muss darauf reagieren. Überzucker schadet langfristig unseren Blutgefäßen. „Hangry“ bzw. unterzuckert zu sein hingegen macht uns – und unserer Umgebung – wenig Freude.
Der Ansatz der ketogenen Ernährung ist, dass, wenn dem Körper keine oder wenig Kohlenhydrate zugeführt werden, er die Glykogen-Reserven der Fettdepots anzapft und somit in den „Fettverbrennungsmodus“ umschaltet (Glykogen ist die Speicherform der Glukose). Ketose bedeutet also, dass Fettsäuren in Ketonkörper umgewandelt werden und diese Glukose als Energielieferanten ersetzen. Dieser Teil klingt ja mal nicht so schlecht, aber...

Low-Carb – ein Rezept zum Abnehmen?
In der Praxis geht Ketose aber auch mit dem Gefühl, essen zu wollen bzw. zu müssen einher, da der Blutzuckerspiegel eben konstant niedrig ist. Erlauben wir uns keine Kohlenhydrate, so müssen Eiweiße und Fette als Ersatz in größeren Mengen verzehrt werden, um diesem Gefühl entgegenzuwirken. Wir tappen – getrieben vom „Unterzucker“ – dabei häufig in die Falle und greifen zu hochkalorischen Lebensmitteln mit hoher Energiedichte, die zu allem Überfluss häufig auch hochverarbeitet sind.
Wir Menschen sind aber durchaus in der Lage, uns an vieles zu gewöhnen und so kommt es nach ein paar Tagen dazu, dass sich der Körper umstellt und sogar einen Prozess initiiert den man als Zucker-Neuanschaffung (Glukoneogenese) beschreiben könnte. Dabei kann der Körper notfalls aus Aminosäuren (den kleinsten Bausteinen der Eiweiße) Zucker herstellen. Dies reicht aber nicht aus, um den ganzen Körper-Energiebedarf zu decken.
Bei Mäusen, die Low-Carb-Kost bekommen, konnten Forscher ein längeres und gesünderes Leben messen, ähnlich wie bei einer generell kalorienärmeren Ernährung. Jedoch müssen sich Mäuse nicht ganz so vielseitig ernähren wie wir und können trotzdem noch gesund sein. Wir konsumieren ohnehin schon zu wenig Ballaststoffe und da wäre ein Verzicht auf Vollkorn wenig förderlich und sogar schlecht für unser Darmmikrobiom.
FAZIT: mit Low Carb abnehmen?
Laut einer Studie der Universität Stanford ist weder Low-Carb noch Low-Fat das Geheimnis einer guten Diät. Wodurch wir zu- oder abnehmen hat nämlich viel mit unserem individuellen Stoffwechsel zu tun. Ergo: Obwohl es zu einer kurzfristigen – eher vernachlässigbaren – Gewichtsabnahme kommen kann, fällt es meistens sehr schwer das reduzierte Gewicht dann auch zu halten bzw. sich auf Dauer kohlenhydratarm zu ernähren.
Ein Verzicht auf alle Kohlenhydrate ist für die meisten wahrscheinlich schwer umsetzbar (Stichwort „hangry“, aus engl. hungry also hungrig plus angry also grantig). Wenn man nun trotzdem auf die schlanke Linie schauen oder kommen möchte, so lohnt sich der Genuss von Lebensmitteln aus verarbeitetem Zucker und Weißmehl in Maßen (Stichwort „glykämische Last“). Vollkorn mit einer gesunden Portion Ballaststoffen darf dafür reichlich genossen werden. Das als Faustregel zu befolgen, ist in der kekserlreichen Vorweihnachtszeit natürlich nicht ganz einfach, das gebe ich zu ;)!
Hinweis: An dieser Stelle sei erwähnt, dass abgesehen von einer erwünschten Gewichtsreduktion, Low-Carb von Ernährungsexperten für einen potentiell präventiven Effekt empfohlen werden kann oder sogar als Therapieform bei Stoffwechselerkrankungen (=> bitte diesen Therapievorschlag nur von Diätologen oder einem Ernährungsmediziner annehmen). Dieser Beitrag konzentriert sich aber auf die Frage, ob Low-Carb eine geeignete Diät zum Abnehmen ist.
GASTBEITRAG
Dr. Martina Überall
Doktorat der medizinischen Gesundheitswissenschaften
Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Tirol,
Fachbereich Ernährung und Gesundheit
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